Presseerklärung vom 19.2.14
Die Stadtteilschulleitungen schlagen Alarm:
Wir benötigen mehr politische Unterstützung, Personal und Räume,
damit die Inklusion gelingen kann.
Nach
über drei Jahren Erfahrung mit der flächendeckenden Umsetzung der Inklusion
nehmen wir als Schulleiter/innen der Stadtteilschulen Stellung zu der Frage,
was getan werden muss, damit die Inklusion gelingen kann.
Wir
begrüßen das uneingeschränkte Elternrecht auf inklusive Beschulung von
Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf und sehen
darin ein unverzichtbares Menschenrecht.
Wir
wollen die Inklusion so gestalten, dass sie für alle Schüler ein Gewinn ist,
dass sich alle Schüler entsprechend ihren individuellen Möglichkeiten
entwickeln und Leistungen erbringen können.
Deshalb
müssen von den Stadtteilschulen und von den politisch Verantwortlichen
die notwendigen Rahmenbedingungen für eine gelingende Inklusion geschaffen
werden.
In
den Stadtteilschulen geht es um die Weiterentwicklung einer inklusiven
Pädagogik und Didaktik:
·
In den Klassen muss gezielt
darauf hin gearbeitet werden, dass sich eine Lerngemeinschaft entwickelt, in
der sich alle respektieren und sich gegenseitig unterstützen.
·
Der Unterricht muss so gestaltet
sein, dass jeder Schüler ein Lernangebot vorfindet, das ihn in seinem Lernen
fordert und fördert.
·
Die Rückmeldungen zu den
Lernfortschritten müssen sich auf die individuelle Entwicklung des einzelnen
Schülers und auf die Bildungspläne beziehen.
·
Die Zusammenarbeit der Pädagogen
muss weiterentwickelt und auf die Arbeitszeit angerechnet werden, damit
gemeinsame Unterrichts- und Förderkonzepte erarbeitet und umgesetzt werden
können.
Wir
stellen uns als Schulleiter/innen dieser umfassenden Unterrichts- und
Schulentwicklungsaufgabe in den Stadtteilschulen mit ganzer Kraft. Es ist
eine Aufgabe, die sehr anspruchsvoll und langwierig ist, weil sie von allen
Pädagogen eine Haltungsänderung und die Erweiterung ihrer pädagogischen und
didaktischen Kompetenzen erfordert.
Dieser
Teil der Gelingensbedingungen liegt in unserer Verantwortung als
Schulleitungen.
In der Verantwortung der Politik liegt es, die notwendige personelle,
räumliche und sachliche Ausstattung für eine gelingende Inklusion bereit zu
stellen. Dies ist aber leider an den meisten Schulen nicht der Fall.
Die
Folgen spüren wir an unseren Schulen täglich. Die personelle Ausstattung
reicht nicht, um für alle Schüler ein für sie passendes individuelles
Lernangebot sowie die notwendige Begleitung und Unterstützung im Unterricht
zu gewährleisten. Es fehlen Differenzierungs-, Ruhe- und Therapieräume sowie
Gelder für eine entsprechende sachliche Ausstattung von Räumen und
Unterrichtsangeboten.
Die besondere Situation der Stadtteilschulen bzgl. der Inklusion muss
bei der Personalausstattung berücksichtigt werden
1.
Der Anteil
von Schülern mit den Förderschwerpunkten Lernen, Sprache und
emotionale/soziale Entwicklung (LSE) ist in den Stadtteilschulen mehr als
doppelt so hoch wie an den Grundschulen. Durchschnittlich sind es 3-4 Schüler
pro Klasse.
2.
An vielen
Stadtteilschulen ist der Anteil an leistungsstarken und sozialkompetenten
Schüler deutlich geringer als in den Grundschulen, da der größte Teil dieser
Kinder nach der Grundschule ins Gymnasium übergeht. Das schwächt die
Integrationskraft dieser Lerngruppen, was durch vermehrte Arbeit der
Pädagogen kompensiert werden muss.
3.
Die
Klassengrößen sind an den Stadtteilschulen höher als an den Grundschulen. Der
Unterschied ist an KESS 1/2-Schulen besonders hoch.
4.
Die deutliche Verringerung der Schüler
ohne Schulabschluss ist erklärtes bildungspolitisches Ziel des Senats. Dies
kann nur gelingen, wenn die Förderung der LSE-Schüler an den Stadtteilschulen
intensiviert wird.
5.
Das Gelingen der Inklusion an
den Stadtteilschulen ist nicht nur für die betroffenen Schüler notwendig
sondern auch für das Gelingen der Schulform Stadtteilschule selbst.
Wir fordern von Senat und Bürgerschaft
·
Bei der
Personalzuweisung muss von der tatsächlichen Zahl der Schüler mit
sonderpädagogischem Förderbedarf im Bereich LSE an den Stadtteilschulen
ausgegangen werden, die im kommenden Jahrgang 5 mit 15,6% fast doppelt so
hoch ist wie die von der Schulbehörde zugrunde gelegten 8%.
·
Die
zusätzlichen Lehrerwochenstunden pro LSE-Schüler müssen auf Grund der o.g.
besonderen Bedingungen der Stadtteilschulen von 3 auf 5 Stunden erhöht
werden, um im Unterricht allen Schülern gerecht werden zu können.
·
Für die
Schüler mit den Förderschwerpunkten geistige und körperliche Entwicklung,
Hören, Sehen und Autismus muss die Zahl der zusätzlichen Lehrerwochenstunden
ebenfalls um zwei Stunden erhöht werden. Nur so können die Stadtteilschulen
auch für diese Schüler ein tragfähiges inklusives Lernangebot schaffen. Die
massive Personalkürzung für diese Schüler gegenüber den früheren Integrationsklassen
hat inzwischen dazu geführt, dass jetzt weniger Schüler mit einer geistigen
Behinderung inklusiv beschult werden als vor der Abschaffung der
Integrationsklassen.
·
Für die Inklusion müssen
zusätzliche Differenzierungs-, Ruhe- und Therapieräume im
Musterflächenprogramm für die Stadtteilschulen vorgesehen sein.
Wir
sind uns bewusst, dass die Erfüllung unserer Forderungen sehr viel Geld
kostet. Wenn die Inklusion hochwächst, werden langfristig 40- 50 Millionen
Euro pro Jahr zusätzlich benötigt.
Wir
wissen aber auch, dass für die 2009/10 geplante Primarschulreform von der
Bürgerschaft insgesamt zusätzliche 65 Millionen Euro jährlich vorgesehen
waren, während für die viel anspruchsvollere Aufgabe der schulischen
Inklusion keine zusätzlichen Mittel bereitgestellt wurden. Die Inklusion wird
zurzeit ausschließlich durch Umverteilung innerhalb des Schuletats
finanziert.
Das
muss sich grundlegend ändern, damit alle unsere Schüler ihr Recht auf
gelingende Inklusion und bestmögliche persönliche und Leistungsentwicklung
wahrnehmen können und die UN-Konvention über die Recht der Menschen mit
Behinderungen substanziell umgesetzt wird.
Bildungsinvestitionen
sind die besten Investitionen in die Zukunft.
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